Von einer besinnlichen Adventszeit kann beim Zulieferer ZF Friedrichshafen in diesem Jahr nicht die Rede sein. Entwicklungschef Harald Naunheimer muss überraschend seinen Hut nehmen und Aufsichtsratschef Giorgio Behr tritt früher als ursprünglich angekündigt von seinem Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrats zurück.
Mit dem Abgang von Behr verliert Vorstandschef Stefan Sommer einen wichtigen Fürsprecher in der Auseinandersetzung zwischen ihm und Friedrichhafens Oberbürgermeister Andreas Brand, der die Zeppelin-Stiftung als größtem ZF-Eigentümer vertritt. Knackpunkt ist die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Sommer will das Tempo, dass er mit dem TRW-Zukauf und der schnellen Integration des US-Zulieferers für aktive und passive Sicherheitstechnik aufgenommen hat, weiter beibehalten.
Auf Augenhöhe mit Bosch und Continental
Zahlreiche Kooperationen, aber auch der Wunsch einen Bremsenhersteller im Nutzfahrzeugbereich zu übernehmen, zeugen vom Willen Sommers aus dem Anbieter von Getriebe- und Fahrwerktechnik einen Konzern zu bilden, der auch beim autonomen Fahren und der E-Mobilität als Schwergewicht agiert und auf Augenhöhe mit Wettbewerbern wie Bosch und Continental rangiert.
Doch gleich zweimal ist Sommer in diesem Jahr mit seinem Anliegen den belgischen Bremsenhersteller Wabco zu übernehmen am Veto des von der Zeppelin-Stiftung maßgeblich bestimmten Aufsichtsrats gescheitert. Sommer benötigt weiteres Bremsen-Know-how auf dem Weg zum autonome fahrenden Lastwagen, nachdem das Unternehmen im Bieterwettkampf um den schwedischen Bremsenhersteller Haldex gegen das Münchner Unternehmen Knorr-Bremse unterlegen war.
Eigentümer bremst
Dem mit 93,8 Prozent der Anteile dominierenden ZF-Eigentümer, die Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen, geht der Wandel zu rasant vonstatten. Sicherlich auch getrieben durch lokalpolitische Zwänge will Oberbürgermeister Brand das Heft des Handelns bei der strategischen Orientierung des Unternehmens nicht kampflos ZF-Chef Sommer überlassen. Sommer wiederum hatte schon vor Monaten deutlich gemacht, dass lokalpolitische Erwägungen nicht die Unternehmensstrategie bestimme dürften. Zudem hat die Zeppelin-Stiftung kürzlich eine Ausschüttung von 18 Prozent vom Nettogewinn durchgesetzt. Statt 50 fließen nun rund 160 Millionen Euro an die Eigentümer.
Es mehren sich nun die Anzeichen, dass die Tage Sommers beim Zulieferer vom Bodensee gezählt sein könnten; eine tragfähige Basis zwischen ihm und Brand nicht mehr gegeben ist. Möglicherweise hat Sommer vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmens beim Machtkampf den Gestaltungswillen der Eigentümer unterschätzt.
Drohende Lähmung
Sollte es zum Bruch kommen und Sommer das Unternehmen verlassen, droht dem Zulieferer eine Lähmung. Das aber könnte für die Entwicklung des Konzerns vor dem Hintergrund einer sich rasant wandelnden Branche gefährlich sein. Die von Sommer immer wieder eingeforderte Agilität des Unternehmens dürfte so zumindest einen Dämpfer erhalten.
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