Machen Sie mal die Augen zu, und stellen Sie sich einen Kleinwagen vor. Wie sieht der aus? Abgemagerter Zweitauto-Zwerg auf schmalen Gummis, spindeldürres Lenkrad und trötendes Motörchen? Das war einmal - Augen wieder auf! Und schauen Sie, was die Hersteller jetzt rund um den abgesagten Genfer Autosalon alles an neuen kompakten und kleinen Autos zeigen. Denn diesmal wären viele in die Messehallen gerollt - und zwar besonders häufig von Importmarken.
Was macht deren Attraktivität aus? "Man bekommt im Gesamtpaket eine sehr gute Qualität, und die Fahrzeuge sind oft besser ausgestattet als die von vergleichbaren deutschen Autobauern in der Kategorie", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, der seit Anfang März an der Universität St. Gallen forscht. Und manchmal gibt es auch einen technischen Vorsprung. "Man muss zum Beispiel Toyota zugutehalten, dass man viel Erfahrung mit den Hybridsystemen hat und die natürlich für Kunden schon interessant sein können."
Mehr Platz, digital und elektrisch
Wer sich vor vielen Jahren das letzte Mal einen Kleinen oder Kompakten gekauft hat, wird zudem überrascht sein, wie groß sie geworden sind. "Der Polo von heute ist so groß wie früher der Golf. Und der Polo von gestern ist so groß wie der Up heute", skizziert Dudenhöffer das Wachstum anhand bekannter VW-Modelle.
Außerdem zeigen sie sich vielfältig, etwa als Machosportler, rollen mit Retro-Chic oder kraxeln als SUV. Digital vernetzt, lassen sie sich zudem mit intelligenten Assistenten für Komfort und Sicherheit vollstopfen, wie das vor kurzer Zeit nur ein, zwei Klassen höher möglich war. Immer mehr fahren teilweise oder sogar ganz mit Strom.
Kleine Stromer fahren über 300 Kilometer weit
So wie der Renault Twingo. Der 3,62 Meter kurze Fünftürer kann erstmals ab Ende des Jahres zu noch unbekannten Preisen auch als reines E-Auto vorfahren. Dieser Twingo ZE kommt mit einer Akkuladung 180 Normkilometer weit, in der Stadt spricht Renault von bis zu 250. Die City dürfte auch das typische Habitat des E-Mobils werden, zumal es in einen mindestens 240 Liter großen Kofferraum einige Einkäufe verstauen kann. Autobahn ist aber auch drin, zumindest zum Mitschwimmen dank maximal 135 km/h Spitze.
Fiat hat einen neuen 500 vorgestellt - als reines Elektroauto. Unter anderem etwas länger und breiter, ist auch der Neue im bekannten Retrodesign weiterhin sofort erkennbar. Unter dem nur leicht retuschierten knubbeligen Blechkleid steckt eine komplette Neuentwicklung. Die Batterien unter dem Wagenboden sollen für bis zu 320 Kilometer WLTP-Reichweite gut sein, so der Hersteller.
Die Höchstgeschwindigkeit des Stromers mit 87 kW/118 PS ist auf maximal 150 km/h begrenzt. In einem Stromsparmodus, der auf maximale Reichweite zielt, sind es 80 km/h. Eine erste limitierte und gut ausstaffierte Startauflage verkaufen die Italiener ab 37.900 Euro.
Sportlich und mehr Platz
Von Retro will Hyundai nichts wissen. Komplett renoviert präsentieren die Koreaner ihren i20 in dritter Generation. Breit öffnet sich der gitterartig durchbrochene Kühlergrill, den ein zerklüfteter Stoßfänger umrandet und ihn optisch in die Scheinwerfer auslaufen lässt. Auch beim Format mit etwas flacherem Dach und einem Hauch breiterer Karosserie merkt man den sportiven Ansatz.
Innen geht es modern zu, wie zwei Bildschirme für Cockpit und Infotainment zeigen. Rund ein Dutzend Assistenten steht parat. Der i20 kommt im Spätsommer in den Handel, so ein Pressesprecher. Für genaue Preise sei es aber noch zu früh. Das aktuelle Modell startet bei rund 13.000 Euro.
Hybride ohne Stecker
Honda bietet die neue Jazz-Generation nur noch mit Hybridantrieb an. Der Mix aus 1,5-Liter-Benziner und zwei E-Motoren soll für bestenfalls 4,5 Liter Normverbrauch gut sein. Der Kleinwagen fährt entweder rein elektrisch, oder der Benziner treibt den zweiten E-Motor zur Stromproduktion an. Bei hohem Tempo übernimmt der Motor den Antrieb, bei Bedarf unterstützt vom E-Motor.
In Geländeoptik und leicht aufgebockt, hätte sich der neue Jazz Crosstar ebenfalls in Genf als Europapremiere gezeigt. Die normale Version bietet von 298 bis zu 1203 Liter Stauraum, dank auch weiterhin höchst variablen Sitzsystems. Ab Sommer ist der Jazz ab 22.000 Euro und der Jazz Crosstar ab 26.250 Euro zu haben.
Golf-Gegner mit und ohne Leine
Eine Klasse höher hat Hyundai den i30 aufgefrischt, um ihn zum Frühsommer zu noch unbekannten Preisen gegen Autos wie den Golf in Stellung zu bringen. Bislang kostet der i30 ab rund 18.000 Euro. Zur Frischekur gehören unter anderem optische Retuschen an Front und Heck, ein digitales Cockpit und viele intelligente Helfer.
Eine Verjüngungskur hat auch Renault seinem Kompaktstar spendiert - und ihn an die Leine gelegt. Denn mit der Modellpflege lässt sich der Mégane als E-Tech Plug-in-Hybrid auch an der Steckdose anschließen. So soll er in der Stadt rein elektrisch bis zu 65 Kilometer weit kommen. Wenn es durch Stadt und über Land geht, sind so 50 Kilometer drin - dann maximal mit Tempo 135. Insgesamt sorgen zwei E-Motoren und ein 1,6 Liter-Benziner für Vortrieb.
LED-Scheinwerfer, optische Retuschen an der Front, ein neues Multimediasystem und elektronische Helfer wie Stau- und Autobahnassistent ergänzen die Modellpflege ab Sommer. PS-mäßig einen drauf setzt das RS-Modell, das jetzt schon in der Grundversion über den bekannten 1,8-Liter-Turbo mit 221 kW/300 PS verfügt. Preise nennt Renault noch nicht. Die aktuelle Baureihe startet ab 20.290 Euro.
Ab in den Großstadtdschungel
Bei Suzuki ist der aufgefrischte Ignis frisch aus der Muckibude gerollt. Die Japaner haben Front und Heck des kleinen SUVs optisch aufgeplustert. Der Kühlergrill ist neu, ein Bügel ziert den Frontschweller. Der 1,2-Liter Motor mit 61 kW/83 PS wurde überarbeitet und fährt nun serienmäßig als Mildhybrid vor. Das System kann so etwa Bremsenergie zurückgewinnen, was auch auf einen niedrigeren Verbrauch einzahlen soll. Der Antrieb erfolgt auf Wunsch weiterhin auch mit Allrad - die Preise starten bei 15.470 Euro.
Bei Dacia stehen die Zeichen auf nicht nur auf SUV - sondern auch auf Strom. Die rumänische Renault-Tochter hat die Studie Spring Electric präsentiert. Die Serienversion des E-Autos soll 2021 mit einer Reichweite von bis zu 200 Kilometern auf die Straße rollen. Zur Ausstattung des aufgebockten Viersitzers in Geländeoptik gehören auch LED-Scheinwerfer.
Ein ähnliches Modell verkauft Mutter Renault in China abzüglich der örtlichen Subventionen für unter 10.000 Euro. In Betracht könnte so ein Preisgefüge auch hierzulande kommen, was Renault aber noch nicht offiziell bestätigt.
Auch Toyota hätte in Genf gern die Hüllen von einem ganz neuen, kleinen SUV im Yaris-Format gezogen, doch dessen Premiere verschiebt sich nun noch etwas, erläuterte ein Sprecher.
Kompakte Heißsporne aus dem Süden und dem Osten
Sportlich und zumindest teilweise mit elektrischer Unterstützung geht es bei den VW-Töchtern weiter. Seat und Skoda zeigen ihre sportlichsten Kompakten. Dabei sind sowohl Cupra Leon als auch Skoda Octavia RS auch mit Plug-in-Antrieb mit je 180 kW/245 PS zu haben.
Als Limousine und Combi ist Skodas Alltagssportler Octavia RS iV mit Stecker bis zu 400 Newtonmeter stark und kann bis zu 55 Kilometer rein elektrisch fahren, so der Hersteller. Daneben zeigen die Tschechen noch eine zivilere Plug-in-Version mit 150 kW/204 PS. Die Preise für RS und Plug-in sind noch unbekannt, während die vierte Generation generell bei ab 21.590 Euro startet. Was der Cupra Leon kostet, ist noch nicht bekannt. Das Grundmodell Leon der Seat-Mutter startet Ende April ab 20.000 Euro.
Es müssen also nicht immer Golf, Polo, Dreier oder A-Klasse sein - auch die kleinen und kompakten Importe sorgen für viel Abwechslung. (Von Peter Löschinger, dpa/fuh)
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