Die Nominierung von Bernd Pischetsrieder für den Posten als Daimler-Aufsichtsratschef ist bei Aktionärsvertretern zurückhaltend aufgenommen worden. "Daimler-Chef Ola Källenius und der gesamte Vorstand hätten einen progressiveren und digitaleren Aufsichtsratschef verdient, der die langfristige Strategie begleiten kann", sagte Marc Tüngler, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), der Automobilwoche. Zwar zweifle man nicht an der Kompetenz von Pischetsrieder, doch könne dieser schon aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nur eine Übergangslösung sein. "Das ist nicht der Neuanfang. Ich sehe ihn als einen Platzhalter für Tim Höttges von der Telekom, der zum jetzigen Zeitpunkt nicht verfügbar ist", so Tüngler.
Eine ähnliche Einschätzung kommt von Michael Muders, Fondsmanager bei Union Investment. "Wir sind überrascht, dass Herr Pischetsrieder den Vorsitz übernimmt. Seine fachliche Kompetenz ist unbestritten, aber er kann das Amt aufgrund seines Alters nur bis 2024 ausüben", sagte Muders der Automobilwoche. In diesem Zeitraum müsse die Neuausrichtung des Konzerns weiter konsequent vom Vorstand umgesetzt werden, wofür die Rückendeckung des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden nötig sei. "Eine Kontrolle und Begleitung mit ruhiger Hand ist jetzt angezeigt", so Muders.
"Alte Welt des Verbrennnungsmotors"
Auch Analyst Frank Schwope von der NordLB übt Kritik an der Entscheidung: "Aufbruch in das Zeitalter der Elektromobilität und Digitalisierung sieht anders aus, steht Pischetsrieder doch eher für die alte Welt des Verbrennungsmotors", sagte Schwope. Zwar komme die Nominierung nicht gänzlich überraschend, da Pischetsrieder seit mehr als sechs Jahren dem Kontrollgremium angehöre. Aber auch die Nominierung des CEO von Shell für den Aufsichtsrat erstaune, zumal Daimler im Bereich Elektromobilität deutlich hinter der Konkurrenz von Tesla, Volkswagen oder auch BMW herfahre.
Der Aufsichtsrat unter Führung des bisherigen Vorsitzenden Manfred Bischoff hatte am Morgen die Wahl von Bernd Pischetsrieder als Kandidat für den Posten veröffentlicht. Der 72-Jährige soll bei der nächsten Hauptversammlung als Nachfolger von Bischoff (78) bestimmt werden. Er gibt sein Mandat turnusgemäß am 31. März 2021 ab. Bischoff war dann 14 Jahre lang an der Spitze des Kontrollgremiums. Eigentlich war Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche als Nachfolger vorgesehen. Dieser zog seine Kandidatur auf Druck von Aktionärsvertretern wegen Fehler in der Vergangenheit aber zurück.
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