Rückwirkend betrachtet lässt sich vor den BMW-Ingenieuren, die unter der Leitung ihres damaligen Chefs, Ulrich Kranz, am "Project i" mitgearbeitet haben, nur der Hut ziehen. Sie entwickelten einen elektrischen Kleinwagen mit revolutionärem Konzept: Aluminium-Chassis, Karbon-Rahmen, Kunststoffkarosserie, Heckantrieb und gegenläufige Portaltüren. Hinzu kam der großflächige Einsatz von Recyclaten und Naturfasern im Interieur. Als der BMW i3 im Sommer 2013 sein Debüt in London feierte, galt er als das modernste und fortschrittlichste Auto seiner Klasse – und ist bis heute ohne Konkurrenz.
Doch weder die avisierte Kundschaft noch die Infrastruktur war damals reif für ein Elektroauto dieses Kalibers, zumal die Alltagsreichweite selbst im Sommer nur bescheidene 130 Kilometer betrug. Im Winter rutschte der Aktionsradius bisweilen sogar auf 90 Kilometer ab. Die Verkaufszahlen waren entsprechend niedrig und erst über die Jahre und nach zwei Batterie-Updates mit dann doppelter Reichweite stieg die Kurve auf der Beliebtheitsskala an. So sehr, dass der Absatz gegen Ende des Lebenszyklus seinen Höhepunkt erreichte und BMW entschied, die Produktion des i3 über das übliche Maß von sieben Jahren um weitere zwei zu verlängern.
Insgesamt rollten, wenn die Produktion im Juli im Werk Leipzig eingestellt wird, nach fast neun Jahren knapp eine Viertelmillion Einheiten von den Bändern.
Viel Geld brachte der i3 wohl nicht ein
Die Entscheidung zum Produktionsstopp begründet BMW unter anderem mit dem geänderten Kundenverhalten. Potenzielle Käufer von Elektroautos im Kompaktsegment seien vorwiegend an Modellen mit einem größeren Raumangebot interessiert, heißt es aus der Presseabteilung. Außerdem solle sich ein E-Auto optisch nicht zu sehr von "normalen" Autos absetzen, so der Tenor aus München.
Nicht wenige Mitarbeiter im Konzern glauben, dass der i3 aufgrund seiner außergewöhnlichen Form zu stark polarisiert hätte und dadurch viele Kunden abgeschreckt hat. Den Anspruch ans Design soll zukünftig der neue Mini Electric abdecken, den Punkt Raumangebot der künftige iX1 und die batterieelektrische Version des nächsten Mini Countryman. "Diese Modelle haben das Potenzial, deutlich größere Stückzahlen zu generieren als der i3 das in seinen besten Jahren geschafft hat", sagt ein Sprecher des Unternehmens.
Ob BMW mit dem i3 je Geld verdient hat, bleibt Betriebsgeheimnis. Experten wie Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, schätzen die Entwicklungskosten des "Project i" auf weit über zwei Milliarden Euro. "Allein die Karbon-Investitionen liegen bei knapp 700 Millionen Euro", so Bratzel. Hinzu kam die extrem teure und aufwändige Fertigung des ultraleichten Werkstoffs für die Rahmenstruktur des i3.
Modellbezeichnung i3 verschwindet nicht ganz
Doch wäre es ungerecht, alle Investitionen allein dem i3 anzulasten. Profitiert haben vom "Project i" auch andere Baureihen. "Das i-Programm war seiner Zeit um zehn Jahre voraus", sagt Peter Fintl, Experte beim Technologie-Beratungsunternehmen Capgemini Engineering. "BMW hat damals als erster Player Nachhaltigkeit ganzheitlich gedacht und innovative Technologien erforscht und in Serie gebracht. Komponenten aus dem i3, wie auch das Know-how, haben dabei geholfen, andere Modelle des Konzerns zu elektrifizieren", so Fintl.
Im Werk Leipzig wird dieses Jahr die neue Generation des Zweier Active Tourer anlaufen. Ab 2023 wird dann dort der neue Mini Countryman als Verbrenner, Plug-in-Hybrid und reine Elektroversion gebaut. Die Geschichte des i3 ist damit besiegelt.
Für viele seiner Besitzer dürfte der coole Kleinwagen dennoch Kultstatus erlangen, schon allein wegen seiner extravaganten Karbon-Technik. "In diesen Fahrzeugklassen werden solche Lösungen aus ökonomischen Gründen so schnell keine Rolle mehr spielen", glaubt Autoexperte Peter Fintl. Ganz verschwinden soll die Modellbezeichnung i3 allerdings nicht. Sie wird zukünftig am Heck eines elektrischen Dreier-BMW kleben – in China.
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