Die Zulieferindustrie kommt nicht zur Ruhe. Neben der Corona-Pandemie, Chip- und Rohstoffmangel müssen sich die Zulieferer auch mit aktuellen politischen Entwicklungen auseinandersetzen. Wie sie mit den Volatilitäten umgehen, die aus diesen Herausforderungen erwachsen und welche Lösungen in Zusammenarbeit mit den Kunden gefunden werden können, war Diskussionsgegenstand einer Folge der Webcast-Reihe Automobilwoche TALKS BUSINESS mit dem Titel: Zukunft der Zulieferer – Erfolgsrezepte in einer volatilen Welt. Teilnehmer der Runde: Günther F. Apfalter, President Magna Europe and Asia, Aldo Kamper, Vorstandsvorsitzender Leoni und Matthias Zink, Vorstand Automotive Technologies bei Schaeffler.
Magna-Manager Apfalter rechnet wie auch die anderen Teilnehmer der Runde nicht damit, "dass die Zeiten in den nächsten Monaten leichter werden", und verweist auf den Chipmangel und politische Verwerfungen. Schaeffler-Vorstand Zink registriert zudem Engpässe, beispielsweise bei E-Blechen. Des weiteren hält er Silizium-Karbid für einen der Werkstoffe der Zukunft und geht davon aus, dass Lieferketten wieder mehr lokalisiert werden. Leoni-Chef Kamper betont wie wichtig die Kommunikation zwischen den Kunden und den Zulieferern ist. "Das Einzige was aus meiner Sicht hilft sind mehr Informationen, nur immer mehr auf Lager legen, wird die Situation auch nur vorübergehend lindern."
Mehr über Indexierungen sprechen
Zink sieht den Umgang mit Verknappungen bei den Fahrzeugherstellern und permanente Änderungen von Abrufen als "eine Art Normalzustand, an den man sich gewöhnen muss". Aber: Zwar bleibe ein OEM immer ein OEM und ein Lieferant immer ein Lieferant, "aber diese Beziehung kann man pflegen". Und natürlich habe Schaeffler auch aus der Krise gelernt. "Wir haben nie besser Abrufsituationen beobachtet, als wie wir es jetzt machen." Das Wissen um Daten, und wie sich diese verändern sowie die Gespräche zwischen Disponenten in Schaeffler-Werken und in den Kundenwerken habe sich intensiviert.
Kamper hält es für notwendig, dass die Preissteigerungen auf der Vormaterialseite an die Kunden weitergegeben werden müssen. "Es ist jetzt an der Zeit, viel mehr als in der Vergangenheit über Indexierungen zu sprechen", so der Leoni-Chef. Dies sei letztlich der Mechanismus, um sich mit den großen Schwankungen auseinanderzusetzen. Ansonsten würde man sich immer wieder in Diskussionen verhaken, wann Preissteigerungen weitergegeben werden können oder Preisnachlässe gegeben werden müssen. "Wir brauchen sowohl auf der Material- wie auch auf der Volumenseite eine neue Generation von Verträgen, die dieser Situation besser gerecht wird."
Nachdenken über Rohstoffpartnerschaften
Laut Apfalter hat der Konzern in den vergangenen Monaten gelernt "tief in die Wertschöpfungskette hineinzugehen". Und weiter: "Wir sind von einem opportunistischen auf einen strategischen Einkaufsweg eingeschwenkt." Dabei denkt der Konzern auch Partnerschaften mit Rohstofflieferanten an. Dies geschehe auch, um die Wertschöpfungskette in ihrer Gesamtheit zu verstehen und um zukünftig das Thema Nachhaltigkeit zu optimieren. Auch Zink hält einen gemeinsamen Rohstoffeinkauf für sinnvoll. Er rechnet aber damit, dass solche Vereinbarungen regional unterschiedlich ausfallen.
Kamper erhofft sich mehr Unterstützung von Seiten der Fahrzeughersteller. "Auf der Liquiditätsseite für die gesamte Lieferkette wird es etwas mehr Hilfe von Seiten der OEM in Richtung Zuliefererkette geben müssen, damit alle die volatilen Zeiten durchhalten." Auch Zink erwartet, dass es für einige Lieferanten schwierig bleiben wird. "Das ist schon ein Thema, auf das man schauen muss." Für den Schaeffler-Vorstand hat das Risikomanagement jedenfalls deutlich mehr Stellenwert bekommen als das in der Vergangenheit der Fall war. Magna-Manager Apfalter bezeichnet das Thema Risikomanagement gar als "ein persönliches Hobby von mir".
Klimadiskussion im Fokus
Um sich nach dem Auflösen der Lieferengpässe auf den Hochlauf vorzubereiten, hat Leoni laut Kamper auch in Zeiten niedriger Nachfrage Mitarbeiter weiter beschäftigt, um den Erfahrungsschatz der Mannschaft nicht zu verlieren.
Zink rechnet damit, dass wir "mit Volatilität in Zukunft stärker leben müssen". Er glaubt aber auch, "dass wir einiges reparieren und stabilisieren können". Eine der zukünftigen großen Herausforderungen besteht für ihn darin, qualifizierte Mannschaften in den Werken dann zur Verfügung zu haben, wenn die Nachfrage wieder stärker hochläuft. Zudem ist für ihn die Frage, wie schnell der Wandel zur E-Mobilität kommt und in welchen Märkten, von zentraler Bedeutung.
Apfalter macht auf den Aspekt aufmerksam, dass man von der Pandemie nahtlos in die Klimadiskussion gehe, "die hoffentlich nicht so stark polarisieren wird, wie die Pandemie die Gesellschaft polarisiert hat".
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